Theth-Tal: Naturwunder und Kultur im Herzen Albaniens

Kevin blickt in steiniger Landschaft hinauf zum sonnenbeleuchteten Gipfel des Berg Arapi im albanischen Theth Nationalpark.
Entdecke die Schönheit des Theth-Tals: Wanderungen zu Wasserfällen, Einblicke in die albanische Kultur. Naturliebhaber kommen hier voll auf ihre Kosten.

Einleitung Theth Nationalpark

Die Nordroute nach Theth ist nun seit 2021 vollkommen asphaltiert. Damit kann man innerhalb einer Stunde mit jedem Fahrzeug auf eigene Faust in die abgelegene Streusiedlung und den verbundenen Nationalpark fahren. Bereits 2019 durfte ich mit meinem Pajero feststellen, dass die Nordroute nun streckenweise besser geschottert ist und es bereits erste Bauarbeiten gibt. 

Der Anfang vom Ende für Abenteurer. Im Jahr 2016 hatte ich mit meinem Vectra noch die Chance die Nordroute in altem Zustand zu befahren. Die Straße war sogar in einem besonders schlechten Zustand, denn der vorangehende Winter war besonders lang und hart. Die Straße war daher zu diesem Zeitpunkt noch nicht komplett instand gesetzt. Lasst uns einen Blick darauf werfen, wie ich damals den Weg nach Theth und die Tage im Nationalpark erlebte.

Herzlicher Empfang an der albanischen Grenze

Wir waren seit ein paar Tagen unterwegs, mein Kumpel und ich. Die letzten Tage verbrachten wir in Slowenien, Kroatien und Montenegro, ehe wir am Vortag die Grenze zu Albanien passierten. Was wir in Albanien wollen, fragte uns der Grenzbeamte bei der Einreise. „Thethi Nationalpark“, antwortete ich ihm und bekam ein breites Grinsen zurück. Mit einem freundlichen „Viel Spaß, es ist wunderschön dort“ winkte er uns ins Land. Welch nette Begrüßung in diesem für uns unbekannten Land. „Albanien ist doch gefährlich“ klang noch in unseren Ohren, wenn man Bekannten und Kollegen von seinen Reiseplanungen erzählte. Der Aufenthalt hätte nicht besser beginnen können.

Mitten im Geschehen: Shkodra und seine lebendige Atmosphäre

Neben dem Theth Nationalpark hatten wir nur einen weiteren Programmpunkt in Albanien: Die Stadt Shkodra im Norden. Während unserer zweiwöchigen Balkantour hatten wir nur drei Tage in Albanien eingeplant und wir wollten neben der Natur natürlich auch ein wenig von der albanischen Kultur mitbekommen. Das ließ sich auch super mit ein paar Erledigungen verbinden und somit fanden wir uns eine Stunde nach Grenzübertritt mitten in Shkodra wieder. Der Verkehr war im Vergleich zu westeuropäischen Verhältnissen wild und am Treiben in der Stadt und auf den Bürgersteigen fanden wir umgehend gefallen.

Nachdem wir das Auto etwas abseits parkten, stürzten wir uns direkt ins Getümmel. Die Hauptstraße hat sich hier in einer Allee in eine Art Straßenbasar verwandelt. Überall gehen Menschen umher, auf der Straße fahren Fahrradfahrer und es ist dabei so eng, dass den Autos nichts anderes übrig bleibt als hinter den Radfahrern zu bleiben und ja niemanden umzufahren. Auf dem Bürgersteig haben Frauen kleine kniehohe Tische aufgebaut und darauf vulkanartige Aufschüttungen von etwas feinem braunen. Erst bei näherem Hinsehen erkenne ich, dass hier loser Tabak auf der Straße verkauft wird. 

Shkodra-Entdeckung: Straßenduft und Marktzauber

In der Ladenmeile gibt ein paar Kaffeeröstereien, die wunderbar duften. Deutlich besser als bei den Händlern, die große Mengen Eis auf der Straße ausgebreitet haben und ausgenommenen Fisch darauf gelagert haben. Es stinkt und bei heißen 40 Grad fliegen bereits eine Menge Fliegen umher. Unsere Mägen drehen sich um. Einen ähnlichen Geruch haben wir bereits auf der Fahrt in die Stadt wahrgenommen. Wir genossen eigentlich die angenehme Hitze und ließen die Fenster unten, damit wir den warmen Fahrtwind spüren konnten. Jedoch roch es beinahe die komplett Stunde Fahrt nach Verwesung. Mehrmals sahen wir bereits tote Hunde am Straßenrand liegen, die durch die Temperaturen bereits groß aufgedunsen waren. Ein bestialischer Geruch. 

In der Allee der Innenstadt war es angenehmer. Die meisten Gerüche waren angenehm und durch die riesigen schattenspendenden Bäume war die Temperatur erträglich. Nachdem wir alles abgegangen sind, fanden wir noch den richtigen Markt und kauften ein paar frische Oliven, von dem Geld, dass wir vorher in einem SIM-Karten-Shop gewechselt hatten. Der Besitzer sah uns herumlaufen und fragte was wir suchen. 10 Minuten später hatten wir bei ihm unser Geld in albanische Lek gewechselt.

Camping am See: Lake Shkodra Resort

Die Nacht wollten wir auf einem Campingplatz verbringen. Wir wussten nicht, wie es um Wildcamping stand, daher haben wir uns bereits im Vorfeld entschlossen das Lake Shkodra Resort aufzusuchen. Es liegt ein wenig nördlich von Shkodra, direkt am Skutarisee. Als wir dort ankamen waren wir erst kurz verwirrt ob des großen geschlossenen Eingangstors. Durch relativ große Hecken konnten wir auch nicht aufs Gelände schauen und waren  daher kurz davor wieder zu fahren, als plötzlich das Tor aufging. Einer der Campingplatzbesucher wollte mit seinem Auto hinausfahren und wir nutzten die Chance wiederum fürs Einfahren.

An der Rezeption wurde gerade ein Ehepaar mit einem großen Expeditionsmobil eingewiesen und nun war mir klar, weshalb man uns nicht vor der Tür bemerkte. Zum Glück sind wir nicht wieder weggefahren! Der Platz war sehr wenig besucht. Wenn ich daran denke, wie voll ich den Campingplatz 5 Jahre später vorgefunden habe, dann war es damals im Jahre 2016 noch ein Traum von Einsamkeit.

Während mein Kumpel die Gunst der Stunde nutzte und bei beginnender Dämmerung den langen Steg am See entlanglief um danach im Wasser zu verschwinden erkundete ich erst die Einrichtungen, bevor ich ihn am Wasser abholte und wir uns ins hauseigene Restaurant setzten. Eine leckere Mahlzeit mit Meeresfrüchten und einem Glas albanischem Rotwein waren der letzte Programmpunkt für diesen Tag. Wir wollten früh ins Bett, damit wir am nächsten Tag zeitig gen Theth aufbrechen konnten. Wir wussten nur, dass die Straße nicht ganz ohne sein sollte und wir hatten keinen Offroader, sondern nur eine ganz normale Familienkutsche. Und die Campingplatzleute brauchte man nicht fragen, denn die waren auf jeden Kunden heiß, der eine Offroad-Taxi-Tour nach Theth buchen wollte. Nichts für uns. Wir machen das selbst!

Sonnenuntergang über dem Skutarisee. Gesehen vom Steg des Lake Shkodra Resorts.

Von Asphalt zu Schotter: Der Weg zum Theth-Nationalpark

Nachdem wir eine Nacht auf dem Campingplatz am Shkodrasee verbrachten, brachen wir morgens endlich auf das selbst erkorene Highlight unserer Reise auf. Der Theth-Nationalpark ist relativ abgelegen und aufgrund der Beschaffenheit der Straße werden Taxifahrten mit Geländewagen dorthin angeboten. Wir jedoch blieben bei unserer Idee, den Weg mit meinem Opel Vectra zu bestreiten. 

Die ersten Kilometer nach dem Abzweig von der Haupstraße haben einen durchschnittlichen Straßenzustand. Lediglich an zwei Stellen gab es große Schlaglöcher beziehungsweise Stahlstreben, die bereits aus dem Beton einer Brücke kamen. Nach einem Drittel der Strecke dann die erste Überraschun: Wir passierten ein großes Schild, und ehe wir uns fragen konnten, warum darauf neben albanischem Text auch die EU-Flagge abgebildet befuhren wir plötzlich eine nagelneue Straße mit pechschwarzem Asphalt in perfektem Zustand.

Die Straße schraubte sich von da an mehrere hundert Höhenmeter hinauf bis zu ihrem höchsten Punkt am Pass. Man hatte mit jeder Serpentine eine immer schöner werdende Sicht und wir konnten es nun kaum erwarten, auch auf der anderen Seite dieses Berges ins Tal schauen zu dürfen. Auf der Passhöhe ging die perfekte Straße dann schließlich an einem großen Schotterparkplatz in einen unbefestigten Weg über.

Serpentinen auf dem Weg in den Theth Nationalpark.

Theth: Unterwegs mit Hürden und unerwarteten Begegnungen

Laut Beschilderung sollten es nun noch knapp acht Kilometer bis ins Dorf Theth sein, doch reell waren es knapp zwölf Kilometer, für die wir geschlagene einundhalb Stunden benötigten. Die Straße war in miserablem Zustand, die Frontlippe setzte immer wieder auf und auch der Lack an den Seiten bekam beim Umfahren mancher Schlaglöcher durch Büsche am Straßenrand sein Fett weg. Ab und zu kam mal ein Geländewagen von hinten angeschossen, den wir vorbeiließen und nach dreißig Sekunden wieder aus dem Blick verlierten. Auch Theth zeigte uns, dass die Welt klein ist: Wie es der Zufall will, kam uns lustigerweise irgendwann ein Österreicher entgegen, hinter dem wir drei Tage zuvor die kroatisch-bosnische Grenze überquert hatten. Er kommentierte beim Vorbeifahren knochentrocken durch das offene Seitenfenster lediglich: “Mit dem Auto? Jo, wir schaffen das.” Aber ich meine, er hat ja nicht gesagt, dass wir besser umdrehen sollten.

Kurze Zeit später liefen wir dann noch auf einen slowakischen Volkswagen T4 auf. Die Besatzung hielt sofort an, als wir in ihren Rückspiegeln auftauchten und die Beifahrerin stieg aus, lief zu uns herüber und erkundigte sich, ob es noch einen anderen Weg nach Theth gäbe. „Ja klar gibts den, aber der ist nur etwas für allradgetriebene Geländewagen und zudem deutlich länger“, entgegnete ich. Sie schaute uns nachdenklich an und erklärte uns ihre Bedenken hinsichtlich des Weges. Interessanterweise kam das Pärchen hier zu dem Entschluss umzudrehen. Ich für meinen Teil machte hiermit das erste Mal die Erfahrung, dass meistens nicht das Fahrzeug, sondern der Fahrer das Schwächste Glied in der Kette ist. Der T4 blieb damit unter seinen Möglichkeiten und wir waren nach dem Weiterfahren hin und hergerissen zwischen „Die haben zu früh aufgegeben“ und „wir sind vielleicht bisschen zu bekloppt.“. Wir fuhren trotzdem weiter. Die Einheimischen fuhren schließlich auch mit ihren alten Mercedes Limousinen hier entlang.

Der Lack wurde durch das Streifen der Büsche im Theth Nationalpark zerkratzt. Anders ging es nicht um die großen Schlaglöcher herum.

Wendemanöver in den Bergen: Grenzen des Vectra erreicht

Von der 1300 Meter hohen Passhöhe ging es sachte hinab und als wir auf etwa 900 Höhenmetern ankamen, sahen wir endlich das erste Haus der Streusiedlung. Die Freude war groß und wir wähnten uns bereits am Ziel, doch 500 Meter später und nach dem Passieren eines zweiten Hauses war für uns Schluss. Ab hier war die Straße definitiv nicht mehr mit dem Vectra befahrbar und wir mussten das lange Auto auf einem maximal 5 Meter breiten Stück ‘Straße’ in gefühlt 25 Zügen wenden. Ansonsten hätte der Vectra angesichts der riesigen Schlaglöcher in der nächsten Kurve nicht nur mit der Frontlippe aufgesetzt und eine gerissene Ölwanne wollten wir weder der Natur, noch unserer Urlaubsplanung antun. Die Gefahr war nicht ausgedacht, denn als wir ausstiegen und die nächsten Meter zu Fuß erkundeten, fanden wir mehrere Spuren von Fahrzeugen, die Öl verloren hatten. Wir entdeckten außerdem, dass der Hauptteil der Streusiedlung weitere knapp 200 Höhenmeter unter uns lag und entschlossen uns daher, dass es keinen Sinn macht hier mit dem Opel weiter zu fahren. Leicht enttäuscht fuhren wir zu einem kleinen Plateau, von wo die Straße zum zuletzt passierten Haus führte und legten dort eine Pause ein. 

Ruf aus den Bergen: Einladung in Theths geheimnisvolle Welt

Ich war komplett niedergeschlagen und mein Kumpel versuchte zumindest ein wenig die Stimmung aufrecht zu erhalten. Irgendwie hatte ich schon gehofft, dass wir bis ganz nach unten ins Tal kommen. Jetzt stehen wir hier oben und haben auch gar keinen richtigen Plan wie es weiter geht. Umdrehen stand zur Auswahl, denn wir wollten definitiv wandern. Doch was tun? Wir wanderten unruhig ums Auto herum und überlegte, ob wir ein Stück weiter zurück fahren sollten. Dort sahen wir zuvor ein Schild, dass ein Camp auswies. Mehr als das Schild haben wir dort aber auch nicht gesehen. 

Wir überlegten, drehten uns weiter im Kreis. Erst mit der Akzeptanz und der damit besser werdenden Laune fiel uns nun auch auf, wie schön es hier eigentlich war. Wir standen auf einem kleinen Plateau bei einer Serpentine. Man hatte eine Panoramasicht auf das Theth-Tal, das von allen Seiten durch hohe felsige Berge gesäumt wurde. Auf den höchsten konnte man Schneefelder erkennen. Das Tal hingegen war vollkommen grün. Ab und zu kam ein albanischer Geländewagen oder ein alter Mercedes Transporter voller Leute vorbei, ansonsten herrschte jedoch eine angenehme Stille. Aus der Richtung des Hauses rief ein Mann und die Sonne wärmte unsere Haut. Es war hier oben in den Bergen angenehm warm, nicht so brüllend heiß wie in Shkodra.

Moment mal. Es rief ein Mann? Oh ja, tatsächlich! Dort hinten steht ein Mann vor dem Haus und ruft. Gleichzeitig winkt er uns zu. Er kann nur uns meinen, hier ist schließlich niemand anderes. Er winkt uns nicht nur zu, sondern er winkt uns zu sich. Definitiv! 

Opel Vectra auf Schotterpiste vor einem Schild aus dem Dorf Theth.

Unerwartete Wendung: Neugier und Blick ins Paradies

Wir konnten nicht mal ansatzweise verstehen, was der Mann uns überhaupt zurief – die Signale waren jedoch eindeutig. Neugierig ob der neuen Situation signalisierten wir, dass wir den Mann zur Kenntnis genommen haben und setzen uns ins Auto. Das Haus war zwar in Sichtweite, aber doch so weit entfernt, dass wir mit dem Auto schneller sein sollten. Während wir auf das Haus zufuhren verschwand der Mann wieder hinter der Kuppe und wir waren gespannt, was als nächstes passieren sollte.

Wir durchfuhren die Senke vor dem Haus, um anschließend die steile Auffahrt zu nehmen. Plötzlich tat sich das Paradies auf: Das Haus wirkte aus der Nähe viel mächtiger als aus der Ferne und im Schatten vor dem Haus lag saftig grüner Rasen. Eine Familie saß an einem Holztisch auf dem Rasen, sie namen uns jedoch nicht zur Kenntnis. Der flache Rasen endete zur Talseite mit einem schönen weißen Lattenzaun. Von dort konnte man das gesamte Tal überblicken, denn unterhalb der Wiese standen keine Bäume mehr. Hier wurde alles entfernt, dass den Blick beeinträchtigen könnte. Wer wohnt hier und wo ist eigentlich der Mann, der uns eben hergerufen hat. Schüchternheit machte sich breit.

Jimmy Guri und sanfter Tourismus in Theth: Eine inspirierende Begegnung

Kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr wie selbstverständlich irgendwo hinkommt und dann plötzlich merkt, dass euch niemand begrüßt und ihr auch nicht wisst wie die Gepflogenheiten vor Ort sind? Das Gefühl mitten in einem Raum voller Fremder zu stehen und als Fremdkörper aufzufallen? Wir entgegnetem diesem Gefühl, in dem wir zum Zaun flüchteten und das Tal bestaunten. Wahrscheinlich keine Minute später hörten wir jedoch sehr nah in unserem Rücken ein freundliches Hallo. Es begrüßte uns ein Mann, der auf den ersten Blick offen und sympathisch wirkte und außerdem sprach er sehr gutes Englisch. Es war Jimmy Guri. Jimmi ist in Theth und den umliegenden Bergen aufgewachsen, studierte dann in den USA und schien dort ein gutes Leben zu haben, ehe er sich dazu entschloss zu seinen Wurzeln zurückzukehren. Er versucht den Tourismus in Theth zu fördern, im Gegensatz zum Nachbartal Valbona jedoch auf eine nachhaltige Art und Weise. Sanfter Tourismus ist das Stichwort. Wir fanden dies eine ehrenswerte Sache.

Jimmy Guri ist ein vielseitiger Theth-Experte

Die entstehende Konversation war sehr angenehm und interessant. Jimmy erzählte uns von dem Guesthouse, vor dem wir standen und der dazugehörigen Geschichte und er sah, dass wir gerne über die umliegenden Berge redeten. Gipfelnamen, Wanderdauer, Schwierigkeiten. Er hatte unglaublich viel wissen zu allem hier existierenden. Wir waren verblüfft. 

Unser eigentliches Ziel war der Berg Arapi – wir haben bei unserer Recherche jedoch nur dürftig Informationen gefunden und bei den vorherigen Wanderungen unserer Reise habe ich für mich bereits gemerkt, dass ich nicht fit genug bin. Die Wanderung war für mich gedanklich schon gestrichen. Jimmy erwähnte irgendwann, dass er auch Tourguide ist und ist theoretisch hochführen könnte. Oder auch auf jeden anderen beliebigen Berg. Er schien eine gute Menschenkenntniss zu besitzen, denn sympathischerweise sagte er im selben Satz dann auch, dass er der teuerste Bergführer im Tal sei und eigentlich die nächsten Tage keine Zeit beziehungsweise keine Lust auf eine Bergführung hätte. Ich mag diese ehrliche Direktheit. So entstehen keine Missverständnisse.

Albanische Küche im Theth-Gasthaus: Unvergesslicher Abend

Der Nachmittag neigte sich langsam dem Ende zu und nach einem kleinen Spaziergang wurden nach Innen eingeladen. Im Erdgeschoss des Gasthauses gab es einen großen Aufenthaltsraum mit angeschlossener Küche. Es waren viele Leute darin, Kinder schauten auf dem Fernseher albanische unterlegte Kinderserien und wir schienen hier die einzigen Ausländer zu sein. Als wir gefragt wurden was wir essen möchten und wir uns erkundigten was es denn gäbe, war unser leerer überforderter Blick wohl eindeutig. Wir hatten keine Ahnung von was die Bedienung da gerade redet und so nickte man uns nur verständnisvoll zu und sagte sowas wie: „Wir regeln das.“ Wisst ihr, was wir auf unsere Teller bekamen? Von jedem vorher genannten Gericht ein wenig. Es war eine Wunderplatte voller albanischer Gerichte, superlecker und das zu einem humanen Preis. Wir waren glücklich.

Abendliche Überraschung und Vorfreude auf die Blue Eye Wanderung

Jimmy bot uns bereits draußen an, dass wir auf der Wiese unterhalb des Hauses unser Zelt aufschlagen durften. Dort standen bereits tschechische Reisende mit ihrem Fahrzeug und wir durften uns dazustellen, denn das entsprach unserem Reisestil eher als die Zimmer in dem Gasthaus. Am Abend gab es dann eine weitere Überraschung für uns. Wir unterhielten uns nach dem Essen wieder prächtig mit Jimmy und er erzählte uns, dass ihn eine alte Freundin aus der Stadt besuchen kommt. Sie beide wollten am folgenden Tag zum Blue Eye von Theth wandern und er bot uns an gemeinsam dort hin zu wandern. Privat, nicht als geführte Tour. Das wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen und unsere Diskussionen über den morgigen Tagesplan waren mit einem Mal verflogen.

Opel Vectra im Theth Nationalpark mit Bergen und dem Arapi im Hintergrund

Blue Eye Trekking: Kühler Morgenstart im Theth-Tal

Der Morgen begann hart und kalt. Um kurz vor 6 Uhr klingelte der Wecker und wir krochen nach 5 Minuten aus unserem Zelt. Das Tal lag noch komplett im Schatten, doch die Gipfel der kahlen Berge erleuchteten bereits im prallen Sonnenschein. Ein Bild für die Götter! Wir sollten um 6 Uhr am Gasthaus erscheinen, denn tagsüber heizen sich die Felsen stark auf und die Wanderung wird zur Qual. Wenn man hingegen früh startet kann man die Kühle des Morgens nutzen und kommt erst auf dem Rückweg in die pure Hitze. Kühle war dabei jedoch untertrieben. Es war gerade kalt. Arschkalt!

Während wir uns bibbernd die Zähne putzten, suchten wir uns die passende Kleidung heraus. Ich hatte zum Glück eine lange Wanderhose dabei und für die restliche Bekleidung galt das Zwiebelprinzip, denn sobald die Sonne rauskommt schlägt die Kälte blitzartig um. Punkt 6 Uhr kamen wir oben auf dem Rasen vor dem Gasthaus an. Draußen stand ein kleiner Tisch und Jimmy sprang sofort auf, als er uns erblickte. „Hello my friends, come and have a seat. Do you want coffee?“

Frühstück im Theth-Tal: Kaffee, Raki und Bergabenteuer

Angesichts der frühen Stund nickten wir und Jimmy verschwand im Haus, nachdem er uns mit einer Handgeste darum bat platz zu nehmen. Am Tisch saß sonst nur ein älterer Herr mit einem alten schicken Anzug und der Mann kein Englisch sprach, nickte er nur und grinste freundlich vor sich hin.

Mir fiel eine Flasche mit durchsichtiger Flüssigkeit auf dem Tisch auf und als ich mich fragte, was das sein könnte, kam Jimmy bereits mit dem traditionell albanischen Kaffee. Wenn man diesen nicht schnell genug austrinkt, dann verwandelt der darin enthaltene Kaffeesatz ihn sehr schnell zu einem glibberigen Wackelpudding und es ist physikalisch nicht mehr möglich ihn zu trinken. 

„Raki?“ wurde dann von den Einheimischen in den freien Raum geworfen, als alle wieder am Tisch saßen. Wir lehnten schmunzelnd ab. 6 Uhr morgens und es gibt selbstgebrannten Raki zum Morgenkaffee, ich werd‘ verrückt. 😀 Während wir still dasaßen und die beeindruckende Morgenkulisse der Berge anstarrten kam auch schon die Bekannte von Jimmy und wir gingen wenige Minuten später los.

Unterwegs von Theth nach Nderlysa: Vielfältige Landschaften

Folgten mein Kumpel und ich am Vortag noch den Weg über die Straße, um uns bei einem kleinen Spaziergang den Hauptteil des Dorfes anzusehen, so ging es diesmal über Wiesen und Wälder querfeld ein. Jimmy kannte die nötigen Abkürzungen und wir waren unglaublich schnell unten am Fluss. Dort angekommen folgten wir nun der Straße, die uns in den nächsten Ort – nach Nderlysa – führen sollte. Es war im Wald ganz schön kalt, sobald man jedoch aus dem Schatten in die Sonne lief spürte man die Wärme dieser. Blöd, wenn man alle 50 Meter von Schatten in Sonne und wieder zurück wechselt. Da hilft leider die beste Zwiebel nichts.

Der Weg zieht sich irgendwann ein wenig, doch es gibt immer wieder interessante Ecken zu sehen. Bäche, die über die Straße rinnen. Der Fluss, der mal flach daherfließt und drei Kurven weiter ganz wild durch tiefe Canyons sprudelt. Irgendwann öffnete sich das Tal und der Fluss verschwand vollkommen unter der Erde. Es war Ende August und der wasserreiche Frühling war längst vergangen. Es blieb nur ein trockenes breites Flussbett. So kämpfen wir uns nun plötzlich durch Hitze, denn Bäume waren nun auch plötzlich Mangelware und als wir an den natürlichen Wassermühlen von Nderlysa ankamen, waren auch diese komplett trocken. So wie unsere Münder, weshalb wir an einem rudimentären Naturkiosk eines einheimischen einen kleinen Stop machten.

Fernblick aufs ausgetrocknete Flussbett bei den Wassermühlen von Nderlysa im Nationalpark Theth.

Kühle Oase: Das idyllische Blue Eye von Theth

Ich war sowieso schon nicht sonderlich fit, die Hitze gab mir jedoch bereits den Rest. Glücklicherweise nahmen wir nun einen Abstecher weg von der gleißend heißen Schotterpiste und bewegten uns über enge Wanderwege hinein ins Grüne. Nicht nur, dass Bäume Schatten spenden: Nein, sie kühlen die Luft auch durch Feuchtigkeit und das war erstmal meine Rettung. Angenehme frische, wäldliche Gerüche und eine Gruppe anderer Wanderer lenkten von meinen Leiden ab. Die Couchpotato wurde noch nicht gargekocht.

Nach einiger Zeit war es schließlich so weit: Es ging plötzlich bergab und es kamen uns viele Menschen entgegen. Eine kleine enge Brücke später standen wir plötzlich am Ziel: Unter uns konnten wir ein kleines ovales Wasserbecken erblicken. Die hintere Hälfte wurde durch einen Felsen umzäunt aus dem ein schnuckeliger kleiner Wasserfall lief. Dieser führte jedoch eine überrascht große Menge an Wasser mit sich. Das Wasser des Blue Eye von Theth schimmerte im Spiel zwischen Sonne und Schatten blau-grünlich. An der Vorderseite ging der Überfluss in einen wilden Bach über, in dem hölzerne Sitzflächen erbaut wurden. Dort ließen sich Menschengruppen von Bedienungen mit Getränken versorgen und entspannten. Es war wirklich schön anzusehen!

Im Gegensatz zum bekannteren und größerem Blue Eye im Süden Albanien, durfte man hier schwimmen gehen und einige Albaner taten dies auch. Viel interessanter war es jedoch, die vielen Menschen zu beobachten, die sich extra hierfür einen Bikini angezogen haben und nun fleißig Bilder von sich machen ließen. Ein Foto schöner als das andere, aber ganz ins kalte Wasser wollte von den Models dann doch keiner. Ich schloss mich dieser Entscheidung an und bestaunte die Natur lediglich mit meinen Augen. 😀

Der Wasserfall des Blue Eye im Theth Nationalpark

Theths Juwel: Das erfrischende Blue Eye

Wir nutzten den kühlen Ort für eine ausgiebige Rast und machten uns nach einer Stunde auf den Rückweg. Es ging die Treppe hinauf zur Brücke und mit einem letzten Blick über die Schulter auf die Oase des Blue Eyes verschwanden wir wieder im grünen Wald. Mittlerweile konnte man selbst hier die Hitze der Mittagssonne spüren und ich hatte schon gar keinen Bock mehr auf das weite Felsenmeer, dass uns bevorstand. Schön gewürzt könnte man uns dort gleich drei mal wenden und wir wären saftig gebraten. Wandern ist Hassliebe. 😀

Wir machten wieder einen Halt beim schattigen hölzernen Kiosk, denn ein zuckerhaltiges Getränk war nach all dem Wasser eine angenehme Abwechslung, doch der eigentlich schöne Ausblick war begleitet von der Vorstellung der Sonnenhölle – und so kam es dann auch. Als wir uns auf den weiteren Weg machten spürte man direkt die von den aufgewärmten Felsen zurückgestrahlte Hitze. Gleichzeitig brannte die Sonne von oben unerbärmlich und ich schwitzte wie ein Wasserfall. Nach einiger Zeit kam noch ein unwohles Gefühl im Magen dazu und mein Wasser neigte sich dem Ende zu. Perfekt!

Kraftlos in der Hitze: Herausforderung im Flussbett

Nach Durchquerung des Flussbetts fanden sich immer wieder schattenspendende Baumreihen, meine Kräfte schwindeten jedoch und ich merkte, dass die anderen des öfteren auf mich warten mussten. Und das in der Ebene! Ihren spontanen Plänen noch einen Abstecher zu einem Wasserfall zu machen entgegnete ich schon gar nichts mehr. Mir war klar, dass ich da nicht mehr mitkomme, gleichzeitig hatte es mir jedoch die Sprache verschlagen. Ich war gefühlt im Überlebensmodus, alleine wenn ich schon daran dachte, wie ich ganz am Ende der Wanderung noch die 200 Höhenmeter vom Zentrum Theths hoch zum Gasthaus der Familie Guri wandern musste. Katastrophe. 😀

Eigener Weg zur Erholung: Solowanderung zum Gasthaus

Zum Wasserfall, der ebenfalls eine der bekannten Sehenswürdigkeiten Theths ist, musste man einen weiteren Aufstieg absolvieren und so entschloss ich mich zum Wohle aller, ab dem Abzweig alleine zum Gasthaus zu laufen während Jimmy, seine Bekannte und mein Kumpel noch den Abstecher zum Wasserfall machten. Letzterer versuchte mich noch kurz zu überreden, doch ich war der Meinung, dass das so das beste für alle ist. Sie wurden wieder mehr gefordert und auch ich konnte ab nun ganz mein eigenes Tempo gehen und fühlte mich nicht mehr wie der vor dem Besenwagen. Doch geschafft war es noch lange nicht – und da ich auch die Abkürzung des Hinwegs nicht mehr finden konnte, musste ich den ganze Strecke samt den Serpentinen der Straße entlang folgen. Aber ich kam an – und legte anschließen die Füße auf einem Campingstuhl sitzen hoch. Dachte ich anfangs noch, dass die anderen mich bestimmt noch einholen werden, so war ich überrascht, als sie erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder auftauchten.

Kevin steht in Wandermontur im grünen Theth-Tal. Im Hintergrund ist der Berg Arapi zu sehen.

Blutturm von Theth: Einblick in das dunkle Erbe des Kanun

Gespannt lauschte ich den Erzählungen meines Kumpels. Der Umweg zum Wasserfall war nicht sonderlich lang oder schwer. Sie kamen dort recht schnell an und nutzten das kühle Nass für eine Abkühlung und Pause. Anschließend ging es nicht zurück zum Weg, sondern auf der anderen Flussseite weiter gen Siedlung. Es gab nämlich noch eine weitere Sehenswürdigkeit im Tal: Den Blutturm von Theth. Im frühen Albanien galt das Gesetzt des Kanun. In ihm wurde das gesellschaftliche Leben geregelt und gerade in den Bergen hielten sich diese mündlich übermittelten Gesetze lange. Erst mit dem Beginn des Kommunismus wurde der Kanun fast komplett unterdrückt. Neben regeln zu Hochzeiten und Gastfreundschaft wird dort auch das Gesetz der Blutrache beschrieben. Sollte die Ehre eines Mannes (Frauen galten nur als Gebärmaschinen ohne Rechte) verletzt werden, so kann diese nur durch Blut wiedererlangt werden. Kurz gesagt: Mord. Dieser Teufelskreis betraf sämtliche erwachsene Männer der zu rächenden Familie und so entstanden Bluttürme – oder auch Blutrachetürme genannt – in denen betroffene Zuflucht fanden. Sie harten teilweise Jahre darin aus, wurden währenddessen von Frauen versorgt und hofften darauf, dass die Familien Frieden schließen. Erst danach war ihr Leben wieder sicher.

Mann steht im Wasser und schöpft Wasser aus dem Wasserfall in Theth.

Abenteuerlicher Tag in Theth: Kultur, Bergsteigen und Glück

Nach der Besichtigung des Blutracheturms ging das Kulturprogramm in ganz anderer Form weiter. Ein Dorfbewohner verquatschte sich mit den Dreien und so landeten sie vor dem nächsten Gasthaus auf der Veranda und tranken einen albanischen Kaffee. Und einen Raki. Oder war es doch pures Benzin? Und noch einen Raki. 😀 Der Nachmittag klang so locker & lustig aus und als es weitergehen sollte kam auch noch Glück dazu. Es ist recht mühsam die Höhenmeter zum Guri-Gasthaus zu aufzusteigen, besonders nachdem man das Wandern gedanklich bereits ad acta gelegt hat. Doch kurz nach dem losmarschieren kam ein Freund von Jimmy vorbeigefahren, der noch Platz in seinem Offroad-Taxi hatte und so waren alle ein paar Minuten später bereits wieder Zuhause. Das Glück ist mit den tüchtigen. Nachdem mir diese interessanten Einblicke erzählt wurden, war ich umso glücklicher, dass ich meinen eigenen Weg gegangen war. Klar, ich habe interessante Dinge verpasst – gleichzeitig wusste ich jedoch, dass ich diese nicht mehr genossen hätte. Alles richtig gemacht. Total ausgelaugt von diesem Tag begaben wir uns nach einer erfrischenden Dusche in den Speisesaal. Was es diesmal zu essen gab? Keine Erinnerung mehr – wir hätten wahrscheinlich alles gegessen. Hauptsache die verbrauchten Kalorien werden wieder dem Körper zugeführt. Aber wir waren glücklich – und das ist die Hauptsache.

Altes Steinhaus im Theth-Tal.

Fazit: Theth-Tal als Highlight für Naturliebhaber

Das Theth-Tal ist wunderschön und mittlerweile über die asphaltierte Straße sehr gut zu erreichen. Man kann sich dort gut in den Gasthäusern verpflegen lassen, kleine Spaziergänge durch die nähere Umgebung machen oder auch Wanderungen zu den Sehenswürdigkeiten wie dem Blutturm, den Wasserfällen oder dem kleinen Blue Eye. Auch Gebirgsfans kommen hier auf ihre kosten, denn die über 2000 Meter hohen Berge können bestiegen werden und ein paar der Wanderrouten sind sogar Teil der „Peaks of the Balkans„-Route. Das benachbarte Valbona-Tal ist ebenso nur eine Tagesetappe entfernt. Naturliebhaber kommen in Theth allemal auf ihre Kosten.

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